Kaisertrutz
Straße des 17. Juni 1
02826 Görlitz

Vor 3000 Jahren wurde nahe der Ortschaft Klein Neundorf ein Bronzeschatz vergraben. Für die Menschen der Bronzezeit hatte der Schatz einen enormen materiellen Wert, entsprechend groß war die Freude der heutigen Finder.
Der Fund von Klein Neundorf umfasst etwa 310 Gegenstände aus Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn. Am zahlreichsten unter den einst verborgenen Gegenständen sind Sicheln mit 136 Exemplaren und Beile mit 50 Exemplaren vertreten. Aber auch mehrere Arm- und Halsringe, eine Schmucknadel sowie eine Gewandspange sind enthalten. Auf Pferdegeschirr verweisen der Rest einer Trense, wohl eine Zierscheibe, sowie mehrere kleine und große Ringe. Eine Besonderheit ist ein in mehrere Teile zerbrochenes Schwert. Schließlich gehören zum Fund noch einige Messer, Querbeile und Lanzenspitzen.
Vielleicht wurden die Gegenstände einst in einem Sack deponiert, von dem sich jedoch keine Spuren erhalten haben. Auch der Anlass für das Vergraben des Bronzeschatzes ist nicht bekannt. Handelt es sich vielleicht um Opfergaben an heute unbekannte Götter?

Um das Jahr 1900 entdeckten Kinder auf einem Kartoffelfeld zwei bronzene Dolche und wohl auch ein bronzenes Beil. Die Fundstelle bei Klein Neundorf war seitdem ungefähr bekannt. Die Dolche kamen 1905 auf Umwegen in die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur, das Beil wurde erst 1914 abgegeben. Die Dolche ähneln zeitgleichen Kurzschwertern aus dem östlichen Kaukasus im heutigen Russland und Iran. Die Fremdartigkeit der Funde war für die Forscher eine Sensation und warf in der Wissenschaft viele Fragen auf. Heute wird vermutet, dass es sich um einheimische Dolche handelt, die nach kaukasischem Vorbild hergestellt wurden. Daran werden weitreichende Kontakte vor etwa 3000 Jahren deutlich. Ein Dolch und das Beil sind in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren gegangen.

Bevor die Suche nach dem Schatz beginnen konnte, waren Archivrecherchen notwendig. Die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur hatten gemeinsam mit dem Sächsischen Landesamt für Archäologie ehrenamtliche Helfer eingeladen, am 19. August 2023 mit Hilfe von Metallsuchgeräten die alte Fundstelle zu orten und dort vielleicht weitere, ehemals übersehene Funde zu bergen. Kurz vor Abbruch der zunächst erfolglosen Nachforschung legte der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Henry Herrmann den anwesenden Archäologen zwei Bruchstücke von Bronzesicheln vor. Davon alarmiert begaben sich alle anwesenden Helfer an die Fundstelle und konnten dort zahlreiche weitere Fundstücke bergen. Es stellte sich heraus, dass die Masse der einst vergrabenen Funde noch unberührt im Boden lagerte. Im Zuge einer professionellen Ausgrabung am 21. und 22. August 2023 wurde ein Erdblock mit den noch verborgenen Gegenständen herauspräpariert und in Gänze ins Landesamt für Archäologie nach Dresden gebracht. Es folgten dort viele Monate der sorgfältigen Freilegung und genauen Dokumentation aller Teile des Schatzes.
Der Bronzeschatz von Klein Neundorf ist der zweitgrößte Hortfund der Bronzezeit, der jemals im Freistaat Sachsen zu Tage getreten ist. Sein Materialgewicht beläuft sich auf über 16 Kilogramm. Während Zinn damals schon im Erzgebirge abgebaut wurde, musste Kupfer aus den östlichen Alpen durch Handel herbeigeschafft werden. Auch einige der gefundenen Gegenstände weisen auf weitreichende Kontakte hin: Die Vorbilder der zugehörigen Dolche stammen aus dem Ostkaukasus, das Schwert, die Gewandspange und Teile des Pferdegeschirrs könnten dagegen aus Südwestdeutschland in die Oberlausitz eingeführt worden sein.
Das Verbergen von wertvollen Gegenständen war in der Bronzezeit eine verbreitete Sitte. Zahlreiche ähnliche Funde sind aus Nord- und Mitteleuropa bekannt. Die Verbergung der Schatzfunde dieser Zeit war vermutlich religiös motiviert. Sie enthalten gebrauchte, aber auch vollkommen neuwertige Gegenstände. Darunter befinden sich Schmuck, Waffen und Arbeitsgeräte. Viele der Gegenstände haben die Menschen vor dem Vergraben absichtlich unbrauchbar gemacht. Im Fund von Klein Neundorf zeigen nur wenige der Objekte, darunter das Schwert, Spuren einer absichtlichen Zerstörung.
Selten konnten solche Schätze wie in Klein Neundorf unter Laborbedingungen und noch in ihrer unberührten antiken Lagerung ausgegraben werden.
Der Bronzeschatz ist Eigentum des Landesamtes für Archäologie. Er steht im Mittelpunkt einer Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Im Rahmen der Bearbeitung werden die Funde für naturwissenschaftliche Untersuchungen beprobt und chemisch analysiert, vermessen und bildlich dokumentiert sowie mit anderen Funden europaweit verglichen. Erst auf dieser Grundlage lässt sich die Bedeutung für die Kulturgeschichte der Oberlausitz, Sachsens und Mitteleuropas sowie die Herkunft der Stücke ermessen. Vor der Untersuchung sind jedoch aufwändige Restaurierungsarbeiten erforderlich. Erst nach der wissenschaftlichen Bearbeitung wird der Bronzeschatz dauerhaft in der Ausstellung eines Museums zu bestaunen sein – vielleicht bei den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur.
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Der Besuch der Sonderausstellung im Untergeschoss ist im regulären Ticket für den Kaisertrutz, sowie unseren Kombitickets enthalten.